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Susanne Abel: Stay away from Gretchen
Eine unmögliche Liebe
Buchtipp von Nadja Schettler
Geschrieben am 06.04.2021
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Moderator Tom Monderath ist genervt:

mitten in der Nacht erhält er einen Anruf von der Polizei, die seine 84jährige Mutter Greta auf der Autobahn aufgegriffen haben.

Sie war mit dem Auto unterwegs - nach Ostpreußen, wie sie sagt.

 

Die Diagnose demenz steht im Raum, wird jedoch von beiden sorgfältig ignoriert.

Dass seine Mutter etwas wunderlich wird, kann Tom noch verschmerzen, in dem Alter kein Wunder!

Aber dass ihre Fantastereien seinen geregelten und absolut wichtigen Tagesablauf völlig durcheinander bringen, ist zuviel.

Greta derweil sinniert über ihr Leben, ihre Verluste und ihren bockbeinigen, so ganz unspontanen Sohn.

 

Als sie zusammen eine Reise in Gretas Heimatstadt unternehmen, kommen sich Mutter und Sohn langsam wieder näher.

Doch als Tom nach dem Kauf eines Cabrios seiner Mutter den Führerschein kurzerhand entzieht, gerät seine Welt plötzlich aus allen Fugen: sorgfältig aufbewahrt hält er das Bild eines dunkelhäutigen kleinen Mädchens in den Händen.

Als er perplex Greta nach "Mariele" fragt, antwortet diese schlicht und einfach "Marie ist meine Tochter."

 

Von da ab bleibt Tom nichts anderes übrig, als sich mit seiner Mutter erneut auf Spurensuche zu begeben - und Greta erzählt: von ihrer Kindheit und Jugend, geprägt von der NSDAP.

Der Flucht aus Ostpreußen.

Dem im Krieg verschollenen Vater. 

Ihrer Liebe zu dem amerikanischen GI Bobby und den Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass sie ihre Tochter verlor.

 

Am Ende lernt Tom eine ganz andere Greta kennen.

Bei der Suche nach Marie und Bobby verändert sich aber auch seine Sicht auf das Leben unmerklich.

 

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Susanne Abel legt mit "Stay away from Gretchen" eine Geschichte hin, die ihresgleichen sucht. 

Nicht nur der Blickwinkel auf die deutsche Nachkriegszeit und den "Brown Baby Plan" macht hilflos und betroffen, sondern auch die Distanz, die mitunter zwischen Eltern und Kindern entstehen kann, lässt den Leser nicht nur einmal schlucken.

 

Auf der anderen Seite stehen wunderbar humorvolle Szenen, wie Gretas eigensinnige Sturköpfigkeit oder ihre trockene Art, das Leben und vor allem ihren Sohn Tom zu kommentieren.

 

Und nicht zuletzt die Liebesgeschichte, die nie sein durfte, zwischen einem deutschen weißen Mädchen und einem farbigen Besatzungssoldaten. Eine Liebe, die Greta und ihrer Familie soviel Glück und Leid beschert hat, dass es wohl kaum einen Leser ungerührt lassen wird.

 

Alles in allem ist "Gretchen" eine ganz eigene Wundertüte: voller Gefühle, voller Spannung und besonderer Momente. 

Definitiv eines der schönsten Bücher dieses Frühjahres.

 

UNSERE BEWERTUNG